Gedanken zu meinem Training

Ich begann, regelmäßig Krafttraining zu betreiben als Ergänzung zu meiner Hauptsportart Basketball. Ich wollte weniger verletzungsanfällig sein und wenn möglich, dadurch schneller laufen, höher springen können, insgesamt einfach kräftiger sein. Das sollte mir einen Wettkampfvorteil gegenüber meinen Gegenspielerinnen verschaffen. Meine Motivation war sehr zielorientiert. Das ist mittlerweile einige Jahre her und im Laufe dieser Zeit hat sich nicht nur mein Training, sondern auch meine Einstellung dazu verändert.
Durch meine Trainer und meine eigene Auseinandersetzung mit körperlicher Betätigung verlagerte sich mein Fokus immer mehr dahin, die Bewegungserfahrung als solche in den Mittelpunkt zu stellen. So denke ich nicht mehr darüber nach, welche Übungen mir wie helfen könnten, meinen Gegnerinnen überlegen zu sein. Ich konzentriere mich vielmehr darauf zu experimentieren, zu welchen Bewegungen mein Körper in der Lage ist und wie sich diese für mich anfühlen.

Verlorene Bewegungsfähigkeit

Ich musste zunächst feststellen, dass ich viele Fähigkeiten bereits verloren hatte. Mir war es bspw. nicht möglich, mich so in eine Kniebeuge zu hocken, dass der Hintern die Fersen berührt. Aber wen wundert das in unserer Welt, in der uns so vieles abgenommen wird, damit wir uns bloß nicht (körperlich) überfordern: Das Auto erspart uns lange Laufstrecken, niemand braucht mehr die Hüftmobilität, um Zeit in einer tiefen Hocke zu verbringen, gibt es doch Stühle und Toilettensitze. Selbst die Nahrungssuche und -zubereitung kann derart ausgelagert werden, dass unsere Hände nur noch dazu benötigt werden, fertiges Essen in den Mund zu schieben.Und die Zeit, in der wir uns vermeintlich „bewegen“, folgen wir dem gleichen Schema: in Trainingsgeräten sitzend und isoliert von unserer Umwelt (Halle, Kunstlicht) und statt ganzheitlich den Körper zu beanspruchen, trainieren wir einzelne Muskelgruppen. Lange Zeit sah mein Training ebenso aus: Beinpresse, Bein-Curls, Laufband, Rudermaschine, Bizeps-Curls, Bauchtrainer, etc. Alles streng nach Trainingsplan. Die Übungen, die dort für den Tag vorgeschrieben waren, führte ich in der verlangten Satz- und Wiederholungszahl durch.

EIN anderer ANSATZ

Was hat sich nun geändert? Ich trainiere zwar nach wie vor nach einem Trainingsplan, aber ich versuche, Übungen durch Bewegung, Isolation durch Ganzheitlichkeit zu ersetzen. Klimmzüge, (einbeinige) Kniebeugen, Liegestütze, Handstand-Trainining, Mobilitätsübungen statt Übungen, die ich zuvor an Maschinen trainiert habe. Ich habe mehr Spaß am Training, da es sich weniger routiniert anfühlt. Es ist ein gutes Gefühl, den ersten Klimmzug zu schaffen und zu merken, wie ich stärker werde, wenn ich die Wiederholungszahlen steigern kann. Der unmittelbare Trainingseffekt ist allerdings nur ein Aspekt. Weitaus bedeutsamer ist der Übertragungseffekte, den diese Art des Trainings auf mein Leben hat.

ÜBERTRAGUNGSEFFEKTE

Dies konnte ich gerade kürzlich während meines Backpacking-Trips im Südwesten der USA erfahren: schwerer Rucksack, Gehen auf nichtexistenten Wegen, Campen… Kurzum: ich war einem Großteil der modernen Errungenschaften beraubt. Plötzlich merkte ich, wie sehr ich auf einen funktionstüchtigen Körper angewiesen bin. Eine Erfahrung, die ich hier im Alltag so selten erlebe. Das schwere Gepäck musste getragen, derbe An- und Abstiege über Geröll und Steinplatten gemeistert werden. Kein Stuhl, keine Toilette bedeutete vermehrtes Sitzen in der Hocke… Aber weder Schulter, noch Rücken bereiteten mir beim Tragen des Rucksackes Probleme. Weder Knie noch Oberschenkelmuskeln beschwerten sich ob der Belastung. Weder vermisste ich Tisch und Stuhl allzu sehr, konnte ich nun dank einer verbesserten Hüftbeweglichkeit endlich in der tiefen Hocke sitzen.

Ich mache zum Großteil mein Training dafür verantwortlich: die Veränderung des Fokus dahin, Bewegungen (wieder) zu erlernen und zu trainieren, die eigentlich jeder Mensch beherrschen kann. Natürlich nehme ich es auch gerne mit, wenn es mir hilft, eine bessere Sportlerin zu sein; Mein Hauptaugenmerk liegt jedoch darauf, ein besserer Mensch zu sein. Dass ich nicht darüber nachdenken muss, ob ich meinem Körper eine bestimmte Art des Urlaubs bzw. eine Wanderung überhaupt zumuten kann oder nicht. Außerdem finde ich es spannend, herauszufinden, wozu mein Körper alles fähig sein kann und möchte mich dabei nicht nur laufen und springen beschränken. Denn jede solche Beschränkung würde bedeuten, mein „Menschsein“ als solches einzuschränken…

Wie trainierst du?

Welche Effekte erhoffst du dir davon?

Welche Effekte spürst du tatsächlich?

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2 Replies to “Gedanken zu meinem Training

  1. Hallo Kathrin,
    ich bin auch gerade dabei mein Training noch mehr dem Movement zu verschreiben und mach Loaded Progressives Streching. Kann dir da nur zustimmen, es macht mehr Spaß und wenn man noch andere sportive Tätigkeiten, wie Wandern und Bouldern macht merkt man den Nutzen.
    LG Sasasu

    1. Hallo Sasasu,

      Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich probiere mich auch gerade an ein paar Loaded Stretching Varianten und finde das sehr herausfordernd. Besonders den Diagonal Stretch 😉 Welche Übungen nutzt du?

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