In einem vorherigen Beitrag habe ich darüber geschrieben, dass ein zu viel an Information schädlich sein kann. Und dass es vor allem zu unterscheiden gilt, welches Wissen sinnstiftend ist und welches nicht. Die Frage, die sich nun stellt ist, woher ich wissen soll, welche Art von Informationen mir zuträglich sind? Geht es um das Thema Wissensaneignung tun sich zwei verschiedene Problembereiche auf: zunächst, WAS soll ich lernen und ferner, WIE soll ich es lernen?
Was soll ich Lernen?
Hier haben wir das Problem, dass uns aufgrund gesellschaftlicher Konditionierung stark vorgegeben wird, was es zu wissen gilt. Das unbeschriebene Blatt, das wir dereinst als Kinder noch waren, füllt sich mit der Tinte fremder Füllhalter: Lehrpläne, Bildungskanon, Vorstellungen und Glaubenssätze unserer Eltern, Lehrer, anderer höherer Instanzen…
Für ein Kind ist alles spannend. Unsere Interessen werden jedoch von außen recht schnell in vorgegebene Richtungen gelenkt. Durch unser Schulsystem erfahren wir, dass es ausreicht, das zu „wissen“, was der Lehrer hören will. Wissen ist das, was für eine gute Note nötig ist. Das Lernen wird sehr „ergebnisorientiert“. Für einen Erwachsenen bedeutet das, solange zu lernen, bis die eigene Leistung, das Ergebnis von anderen gebilligt wird.
Glaubenssätze wie „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ sind es, die uns daran hindern, Lernen als etwas zu begreifen, das uns ein Leben lang begleiten sollte. Sobald wir die Dinge können, die es als Erwachsener zu beherrschen gilt, haben wir aus Sicht der Gesellschaft „ausgelernt“: grundlegende körperliche Fertigkeiten, bestimmte soziale Umgangsformen, einen Beruf, etc. Und wenn wir etwas Neues dazu lernen, dann hat es meist nur „gesellschaftliche Relevanz“.
„Durchschnittsmensch“ vs. „Genie“
Die Art, wie in Schule und Ausbildung Wissen vermittelt wird, strebt danach, den niedrigsten gemeinsamen Nenner der Gleichartigkeit hervorzubringen. Menschen, die wir heute als „Genies“ bezeichnen, wie Beethoven, Michelangelo, Shakespeare, Kafka, Goethe, Leonardo Da Vinci (…) hingegen haben EIGENE, PERSÖNLICHE Verfahrensweisen entwickelt. Sie haben nicht nur stur das angewendet, was man sie gelehrt hatte. Dass sie ihre Individualität ausleben konnten, entstand nicht selten zufälligerweise.
An solche Zufälle wollen wir aber nicht glauben. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass es solchen Persönlichkeiten eigen ist, besondere Fähigkeiten zu besitzen, an die wir „Durchschnittsmenschen“ niemals heranreichen können. „Besonders“, ein „Genie“ zu sein, das ist nur einigen wenigen Menschen vorbehalten. Prinzipiell trägt jedoch ein jeder der Gattung Menschen dieses Potential in sich. Jeder kann einmalig werden in seinem Beitrag und seiner Bedeutung für sich und die Gesellschaft.
Wir sind es aber selbst, die sich Schranken auferlegen. Unser Lernen konzentriert sich auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die unmittelbar „nutzbringend“ sind. „Volles menschliches Vermögen“ wird damit zu einer Seltenheit und viel Potential bleibt ungenutzt.
Dabei besitzen wir größere latente Fähigkeiten als wir zu glauben wagen. Dass diese weiter vor sich hinschlummern liegt daran, dass wir uns automatisiert durch die Welt bewegen. Der Autopilot führt dazu, dass wir sind zwar „wach“ sind und Handlungen bei Bewusstsein ausführen, wir uns dieser aber nicht „bewusst“ sind.
Unterschied zwischen „wach“ und „bewusst“
Wenn wir Treppenstufen hinaufgehen, so tun wir das bei BEWUSSTSEIN, andernfalls würden wir hinauffallen. Wir haben dies bereits hunderte Male getan. Wir müssen nicht darüber nachdenken, WIE Treppensteigen funktioniert. Einmal gelernt, können wir dies Handlung immer aus unserem inneren Datenspeicher abrufen. Treppensteigen erfolgt daher in der Regel automatisiert. Würde uns jemand fragen, welchen Fuß wir zuerst aufgesetzt, wie viele Stufen wir erklommen haben, wir könnten es wahrscheinlich nicht beantworten. Dies könnten wir nur dann, wenn wir mit BEWUSSTHEIT diese Treppen hinaufgegangen wären.
Freie Wahl bietet Alternativen
Wenn wir Bewusstheit entwickeln, wie wir die Dinge tun, die wir regelmäßig tun, so könnten wir entdecken, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, diese auszuführen. Dies gilt nicht nur für Neues, sondern auch für solche Dinge, die wir bereits tun können. Das führt dazu, dass unsere Möglichkeiten erweitert werden. Fortan steht uns die Tür offen, frei zu wählen, wie wir etwas tun wollen. Im Gegensatz dazu, wenn uns nur eine Verfahrensweise zur Verfügung steht: hier haben wir lediglich EINE WAHL: tun oder nicht tun.
Wenn keine Alternativen zur Auswahl stehen, dann ist es vom Glück abhängig, ob es uns gut geht. Denn wo wir keine Wahl haben, fühlen wir uns hilflos. Wir haben das Gefühl, nichts ändern können und flüchten uns in Fatalismus („Ich bin nichts wert, Ich kann nicht anders, ich bin eben so“).
Diese Alternativlosigkeit erfahren wir, wenn wir uns auf den Erwerb von „Standard Wissen“ limitieren und unbewusst das wiederkäuen, das uns vorgesetzt wird. Eigene Neigungen werden dadurch unterdrückt. Wir haben aber immer die Wahl, zu denken was wir wollen. Damit wird es offenkundig, dass es an uns selbst liegt, WAS wir lernen wollen, wenn wir uns dessen nur bewusst sind.
Das Leben durch bewusstes Handeln verbessern
Welche Dinge in meinem Leben entfachen Leidenschaft in mir? Welchen Tätigkeiten, welchen Themen kann ich selbstvergessen nachgehen? Wo kann ich Dinge anders machen, mit mehr Leichtigkeit und Freude? Herausfinden kann ich das nur, wenn ich meinem Selbst und meinen Tätigkeiten Aufmerksamkeit zukommen lasse.
Wenn man sich derlei Fragen stellt, dann wird immer klarer, dass die meisten Informationen, die uns über das Internet oder das Fernsehen erreichen, diesen Anforderungen nicht standhalten können. Es kommt selten vor, dass ich als Nutzer bewusst die Entscheidung treffe, X oder Y lesen oder anschauen zu wollen. Das ist auch gar nicht so gewollt, solche Medien wollen Roboter aus uns machen: automatisiert sollen wir von einem Inhalt zum anderen klicken oder schalten. Dergestalt konsumieren wir unbewusst diese Inhalte. Nicht nur, dass dabei die Möglichkeit verloren geht, sich frei für eine aus mehreren Alternativen entscheiden zu können. Wir berauben uns auch den Chancen, uns weiterzuentwickeln.
Das Internet oder das Fernsehen als Wissensquelle zu nutzen ist per se nicht falsch; es wird dann falsch, wenn wir nicht wissen, warum wir es tun. Wenn wir einer blinden Gewohnheit folgen. Denn dann folgen wir wieder einem Skript, das nicht wir selbst geschrieben haben, sondern einem, das uns zu weisungsbezogenen Darstellern macht. So mag einer denken, das Lesen bestimmter Seiten im Internet sei etwas, das es zu wissen gelte. Vielleicht glaubt er, es sei richtig, weil alle Menschen das tun. Wenn er dabei aber unfähig ist, zu entscheiden, ob diese Mitteilungen für ihn überhaupt von Belang ist, dann nicht, weil er es nicht besser wüsste, sondern weil er ohne Bewusstheit ist.
Dann aber, wenn ich bewusst entscheide, etwas aus einem bestimmten Grund zu tun, verfüge ich plötzlich wieder über mich selbst. Und das erlaubt es mir, mich und mein Leben zu verbessern.
Wonach gilt es zu streben?
Warum nicht nach den Sternen greifen und versuchen, dem Zustand eines „ideales Wesen“ möglichst nahe zu kommen? Doch was bedeutet ideal überhaupt? Ein Idealbild ist der Inbegriff der Vollkommenheit, ein als ein höchster Wert erkanntes Ziel; eine Idee, nach deren Verwirklichung man strebt. Es ist klar, dass kein Mensch in allen Bereichen absolut vollkommen sein wird. Dennoch kann ich versuchen, einzelne Bereiche und Funktionen meines Selbst in Richtung eines „Ideals“ auszurichten.
Bezogen auf meinen Geist könnte ein ideales Gedächtnis eines sein, das ideal bewahrt, ideal erinnert und vollständig der absichtlichen Kontrolle untersteht.
Hinsichtlich meiner Bewegungsfähigkeit wäre ein ideal funktionierendes Skelett mit der dazugehörigen Muskulatur ein solches, das es mir ermöglicht jede beliebige Bewegung jederzeit und in jede Richtung mühelos und leicht auszuführen.
Vielleicht hast du andere Idealvorstellungen. Das spielt letztlich auch keine Rolle. Ausschlaggebend ist, dass man sich dessen bewusst wird, dass im Organismus Mensch Lernen eine biologische Notwendigkeit ist. Dank unseres Zentralen Nervensystems besitzen wir die beste Struktur für individuelles Lernen, die es gibt. Wir können unsere Fähigkeiten immerzu verbessern, unsere motorischen Fertigkeiten immer mehr differenzieren und variieren. Bis ins hohe Alter hinein. Denn der Mensch ist, wie das Leben, ein Vorgang und als solcher stets in Veränderung.
Es mag sein, dass man in der Schule kein Spanisch gelernt hat, weil es nicht im Bildungsplan vorgesehen war. Das bedeutet aber nicht, dass das Erlernen dieser Sprache nicht auch noch im Rentenalter ein lohnendes Ziel sein kann, wenn man seine Neigung dafür entdeckt hat. Wir müssen uns gewahr werden, dass wir stets eine freie Wahl haben. Wir sind nicht gezwungen, den einzigen Weg einzuschlagen, den wir kennen. Wir müssen unser Leben nicht um die Tätigkeiten herum ausrichten, die wir zu unser Zufriedenheit beherrschen und jene meiden, bei denen wir uns nicht „geschickt genug“ fühlen. Wenn wir uns dessen bewusst sind, was wir wollen, dann gibt es immer wieder Gelegenheiten, zu lernen.
Wonach strebst du?
Wo bieten sich dir Gelegenheiten zum Lernen?
Bist du dir über deine Handlungen und Entscheidungen bewusst?
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