Ein gesundes Herz und Ausdauertraining – das ist eine Assoziation, die den meisten von uns spontan herstellen würden. In unserer Vorstellung führt die Erhöhung der Herzfrequenz mittels Anstrengungen, die uns zum Schwitzen bringen und eine gewisse Intensität aufweisen, dazu, dass unser Herz dadurch „trainiert“ und somit dessen Leistungsfähigkeit verbessert wird. Da das Herz ein Muskel ist, ist es doch mehr als naheliegend, dass dieser Zirkelschluss zulässig ist. Und: je mehr Training, umso besser, je intensiver, umso wirkvoller. Oder nicht?!
Das Problem klassischen Ausdauertrainings
Das Problem bei klassischem Ausdauertraining ist jedoch, dass dies in der Regel immer in der gleichen Art und Weise erfolgt, meist in Form von Laufen oder Radfahren. Wie bereits in einem anderen Artikel dargestellt, wird das Blut und der Sauerstoff von den Bereichen abgezogen, die nicht an der Aktivität beteiligt also inaktiv sind, um die Bereiche damit zu versorgen, die „arbeiten“. Schließlich können die 5-7 Liter Blut, die wir besitzen, nicht überall gleichzeitig im Körper verteilt sein. Somit werden also immer die gleichen Bereiche durchblutet, während die anderen „verhungern“. Nur die Teile, des Körpers, die sich bewegen, profitieren also davon. Unsere winzigen Kapillaren, die dafür verantwortlich sind, dass das sauerstoffreiche Blut in unsere Zellen gelangt (tatsächlich ist jede Zelle nur eine Haarbreite von einer Kapillare entfernt), funktionieren nach dem Schema „use it or lose it“. Der Körper bildet welche, wenn Bedarf besteht und verringert deren Anzahl, wenn sie unnötig erscheinen. Man kann sich das so vorstellen, dass eine größere Anzahl an Autos dazu führt, dass mehr (Seiten-) Straßen gebaut werden: je mehr rote Blutkörperchen unterwegs sind, desto mehr Kapillaren werden geschaffen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ein „Verkehrskollaps“ vermieden wird, indem die Zahl der Autos sich auf vielen Straßen verteilen kann. In unseren Körpern führt ein Ausbau des Gefäßnetzes dazu, dass es mehr „Aufbewahrungs-möglichkeiten“(durch mehr Kapillaren) für unser Blut gibt, es muss folglich nicht mehr alles in den Arterien gespeichert werden, was dazu führt, dass der Druck in diesen abnimmt!
Wenn wir also unser Ausdauertraining darauf beschränken, zu laufen oder Rad zu fahren, versäumen wir es, mehr Bereiche zu aktivieren und zu durchbluten. Dadurch kann sich der Druck auf unsere Arterien erhöhen und der eigentlich gewünschte Effekt, den Blutdruck durch Ausdauertraining senken zu wollen, konterkariert werden.
Exkurs: Hämodynamik
Um das Thema Blutdruck besser verstehen zu können, hier ein kleiner Exkurs in Richtung Hämodynamik. Dabei handelt es sich um die Lehre von der Strömungsmechanik. Hierbei wird untersucht und beschrieben, wie der Blutfluss in den Blutgefäßen in Abhängigkeit von den verantwortlichen Kräften erfolgt. Blut ist im Gegensatz zu Wasser eine nicht-newtonsche Flüssigkeit, d.h. die verschiedenen Teile des Blutes verhalten sich je nach Gegebenheiten und Umständen unterschiedlich. Der Blutfluss ist dabei abhängig von dem Blutdruck, dem Gefäßwiderstand und der Viskosität des Blutes.
Laminare vs. turbulente Strömung
Die Strömung innerhalb gesunder Gefäße ist „laminar“, das bedeutet, dass wenig Reibungswiderstand herrscht, in schadhaften Gefäßen ist sie hingegen „turbulent“, was zu Wirbelbildung und einem hohen Reibungswiderstand führt. Es ist viel daran gelegen, dass eine möglichst laminare Strömung vorherrscht; bei turbulenter Strömung geschieht nämlich folgendes: Die Blutzellen fließen nicht sanft und vor allem nicht in eine Richtung durch die Gefäße, sondern sie „wirbeln“ durch unsere Gefäße und prallen so mit hohen Geschwindigkeiten gegen die Gefäßwände. Dabei kann es zu Verletzungen derselben kommen. Der Körper schließt diese Wunden, indem er eine Art Schorf aus Cholesterin und Calcium bildet. Je mehr Wunden den Gefäßen zugefügt werden, umso mehr Schorf entsteht, um die Gefäße zu stärken. Auf lange Sicht führt dies zu den Arterien-Ablagerungen, die wir unter Plaque kennen. Plaque wiederum führt zu Bluthochdruck und ist ein Risikofaktor für Herzinfarkte. Was aber nun sind die auslösenden Faktoren, die dazu führen, dass es zu turbulenter Strömung innerhalb der Gefäße kommt?
Faktoren für turbulente Strömung
# 1: Rauchen
Während des Rauchens werden die Lungen daran gehindert, Sauerstoff über den Atem aufzunehmen, was den Körper in einen Stresszustand versetzt und er mit der Ausschüttung bestimmter „Stress Hormonen“ antwortet. Diese sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße weiten. Durch diese plötzliche Größenänderung wird der ruhige Blutfluss gestört und das Blut unkontrolliert durch die Blutgefäße geschleudert (das kann man sich so vorstellen, als würde man den Wasserfluss in einem Gartenschlauch kurz unterbrechen, indem man einen Knick in diesen macht und diesen dann plötzlich wieder löst). Voila: turbulenter Blutfluss!
#2: Stress
Stress löst eine ähnliche Hormon-Kaskade im Körper aus, wie es das Rauchen tut. Auch hier sorgt die Ausschüttung bestimmter Stress-Hormone für eine Erweiterung der Blutgefäße. Das Resultat ist auch hier ein gestörter Blutfluss.
# 3: Erhöhter Blutzuckerspiegel
Ein hoher Blutzuckerspiegel erhöht die Viskosität des Blutes. Viskosität ist die Zähflüssigkeit eines Fluides. Je „klebriger“ eine Substanz ist, desto schlechter sind seine Fließeigenschaften. So ist bspw. die Viskosität von Honig erheblich höher als die von sagen wir Milch. Was passiert nun also, wenn sich der Zuckergehalt unseres Blutes erhöht? Das Blut wird zähflüssiger, Sirup ähnlich und damit erhöht sich auch die Viskosität. Es klebt mehr aneinander und fließt nicht mehr ungehindert durch die Blutgefäße, sondern kommt nur stockend voran, was ebenfalls zu turbulentem Blutstrom führt.
# 4: Veränderungen in der Geometrie der Blutgefäße
Unsere Blutgefäße und deren Abzweigungen sind in der Regel so arrangiert, dass ein ruhiger Blutfluss und eine gute Druckverteilung gewährleistet ist. Die Position unserer Knochen ändert jedoch auch die Position unserer Blutgefäße. Indem wir immer die gleiche Körperhaltung einnehmen, sorgen wir dafür, dass sich der Körper an diese anpasst. Da diese in der westlichen Welt zumeist das Sitzen ist, neigen viele Menschen zu einer Haltung, bei der der Kopf und die Schultern nach vorne gerollt sind. Dies hat zur Folge, dass die Blutgefäße, die vom bzw. zum Kopf laufen nicht mehr gerade sind, sondern Knicke aufweisen. Vergleicht man die Blutgefäße mit einem Gartenschlauch, so kann man sehen, dass Knicke oder gar Knoten in einem ebensolchen nicht förderlich sind, um für einen ruhigen Flüssigkeitsfluss zu sorgen. Eine ungünstige Änderung der Geometrie unserer Blutgefäße kann also auch turbulenten Blutfluss zur Folge haben.
Wie können wir aber nun für gesunde Blutgefäße sorgen, wenn doch traditionelles Ausdauertraining nicht das Mittel der Wahl darstellt?
1. Faktoren eliminieren, die einen turbulenten Blutfluss begünstigen:
Das heißt im Klartext, nicht Rauchen, Stress durch Entspannungsmaßnahmen reduzieren, weniger Zucker durch die Nahrung aufnehmen, weniger Sitzen!
2. Für eine bessere Durchblutung der Körperzellen sorgen:
Je mehr Muskeln wir aktvieren, desto mehr helfen wir unserem Herzen, nicht alleinverantwortlich für das Funktionieren des Herz-Kreislaufsystems zu sein.
Spaziergänge
Gehen bzw. eine Aktivität im Intensitätsbereich von 40-60 % (hochintensives Training kann ebenfalls einen „turbulenten Blutfluss“ verstärken, daher sind aus Gesundheitssicht niedrigere Intensitäten zu wählen) sorgt für eine verbesserte Durchblutung und bessere Sauerstoffversorgung der Zellen. Beim Gehen findet eine symmetrische Belastung statt, bei der der ganzen Körper angesprochen wird. Studien belegen, dass Interventionen in Form von täglichen Spaziergängen dazu beitragen, den Blutdruck zu senken. (KELLEY, G. A., K. S. KELLEY, and Z. V. TRAN. Aerobic exercise and resting blood pressure: a meta-analytic review of randomized, controlled trials. Prev. Cardiol. 4:73– 80, 2001).
Isometrisches Krafttraining
Studie, bei denen die Probanden isometrisches Krafttraining ausübten, zeigten, dass dieses Training geeignet ist, den Blutdruck zu senken. 2-3x/Woche die Durchführung eines Widerstandstrainings, vornehmlich mit dem eigenen Körpergewicht, da auch hier die Intensität nicht zu hoch sein sollte. Auch hier gilt: je mehr Muskeln dabei angesprochen werden, desto besser die Durchblutung und damit die die Versorgung der Zellen. (Inder JD et al.: Isometric exercise training for blood pressure management: a systematic review and meta-analysis to optimize benefit. Hypertens Res 2016; 39: 88–94).
Fazit
Mit diesem Artikel wollte ich aufweisen, dass das Dogma „Ausdauertraining = gesundes Herz und gesunde Blutgefäße“ nicht der Weisheit letzter Schluss ist, sondern dass dieses aus gesundheitliche Sicht nochmals überdacht werden sollte. Sofern aus ambitionierten, sportlichen Zielen Ausdauertraining betrieben werden sollte, ist das jedoch ein anderes paar Schuhe. Ich möchte nur dafür sensibilisieren, dass ein Alltag aus 8h Inaktivität plus 1h Ausdauertraining am Tag nicht automatisch eine verbesserte Gesundheit zur Folge hat und dass kleine, über den Tag verteilte Maßnahmen durchaus langfristigeren Erfolg aufweisen können…
Eure Meinung dazu würde mich sehr interessieren, hinterlasst mir diese doch gerne in den Kommentaren!
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