Von der Kunst, ein Dilettant zu sein…

Als ein Dilettant zu gelten ist unschön, bezeichnet man heutzutage doch Jemanden damit, wenn er Dinge unzulänglich, stümperhaft verrichtet, Anfängerfehler macht. Kaum jemand ruft sich jedoch ins Gedächtnis, dass das Wort „Dilettant“ ursprünglich von dem Lateinischen „delectare“ herrührt, was so viel heißt wie „sich an etwas erfreuen“. Wörtlich genommen ist ein Dilettant also Jemand, der die Dinge, die er gerade ausübt, mit Freude tut. Der Prozess, der Akt des Tuns selbst, steht somit im Vordergrund, nicht das Endergebnis.

Fokussierung auf Verhalten statt auf subjektive Zustände

Heutzutage hängt jedoch vieles von der Leistung, dem Ergebnis ab, die Aufmerksamkeit wird nur selten auf die Erfahrung selbst gerichtet. So bewerten wir das Verhalten, statt uns auf die der subjektiven Zustände zu konzentrieren. Im beruflichen Umfeld, wenn es darum geht, Ergebnisse zu produzieren, mag diese Haltung nachvollziehbar sein. Problematisch wird es aber dann, wenn diese zu einem Normalzustand wird und auf andere Bereiche des Lebens übergreift.
So geben wir uns nur allzu oft auch in unserer Freizeitgestaltung dieser Ergebnisfokussierung hin. Für viele ist das Ausüben von Sport und Training Routine. Es wird zu einem automatisierten Prozess, der des Ergebnisses willens „abgespult“ wird. So trainieren viele Menschen tagein und tagaus aus Pflichtgefühl und ohne wirklich „wahrzunehmen“, was sie da gerade tun. Wirkliches Erleben von Freude bleibt dabei aus.

Kindliche Begeisterung

Wenn man Kinder dabei beobachtet, wie sie an „Bewegung“ herangehen, so fällt auf, dass sie dies oft mit Freude und Begeisterung tun. Sie sind nicht darauf festgefahren, etwas erreichen zu müssen, sondern erleben den Moment so, wie er sich gerade vor ihnen entfaltet. Ein Kind, das gerade das Laufen erlernt, schert sich nicht darum, ob es bei den ersten Versuchen hingefallen ist. Im Gegenteil, es lernt, Dinge anders zu machen als das Mal davor und weiter auszuprobieren, was funktioniert und was nicht. Schließlich wird sich früher oder später der Erfolg einstellen, gerade weil das Kind sich nicht vom anfänglichen Scheitern hat verunsichern lassen.
Wir alle waren einmal Kinder und hatten diese Einstellung, mit Unvoreingenommenheit an Dinge heranzugehen. Im Laufe der Zeit hat sich dies jedoch gewandelt und die Geduld, auch Fehler machen zu können und nach dem Schema „Versuch und Irrtum“ vorzugehen, schickt sich nicht mehr. Daher verbleiben viele Erwachsene in ihrem jetzigen Zustand, finden sich mit dem ab, was sie jetzt sind und jetzt können und berauben sich damit der Chance zu innerem und äußerem Wachstum! Wenn wir bereit wären, wieder wie ein Kind an Tätigkeiten heranzugehen, bereit wären, wieder ein Anfänger zu sein, würden wir uns selbst neue Gestaltungsmöglichkeiten geben.

Der „Anfängergeist“

Im Buddhismus wird in dem Zusammenhang oft vom „Anfängergeist“ gesprochen. Davon, dass diejenigen, die sich einen solchen bewahrt haben, fähig sind, Neues zu lernen, indem sie Erwartungshaltungen und Vorstellungen aufgeben und bereit sind, sich selbst als „Anfänger“ zu sehen. Hier können wir den Bogen zurück zu unserem Dilettanten schlagen: eine Person, die Fehler macht, da sie eine Sache noch nicht gut beherrscht, dabei aber Freude empfindet. Wenn ich also bereit bin, wieder ein „Dilettant“ zu sein, mich nicht mit Gedanken bremse, eine Sache nicht machen zu können, da ich sie ja noch nicht könne, kann ich offener mir und meiner Umwelt gegenübertreten.

„Sei wie eine leere Teetasse. In eine volle Tasse, kann man keinen Tee einfüllen, das geht nur in eine leere Tasse.“ – Japanische Metapher

Wenn du etwas lernen willst, einen ungetrübten Blick auf etwas bekommen willst, wenn du weiterkommen, dich entwickeln willst, dann leere zuerst deine Tasse. Und bewahre dir deinen kindlichen Anfängergeist. Sei bereit, unvoreingenommen an Dinge heranzugehen, gib dir den Raum und die Geduld, einen Schritt nach dem anderen machen zu können, zu scheitern und dennoch weiterzukommen.

Die Einstellung ändern

Suche dir eine Tätigkeit, die du mit allen Sinnen erforschen willst. Vielleicht willst du eine neue Übung erlernen oder einfach die Dinge mit mehr Freude tun, die du ohnehin schon machst. Ändere deine Einstellung. Gehe mit der Haltung heran, als machtest du sie zum ersten Mal. Stell all deine Wahrnehmungskanäle offen: wie fühlt sich das an? Was kann ich besser machen? Dabei geht es nicht darum, was andere tun, sondern wie sich das in DEINEM Körper anfühlt.
Ich selbst empfinde größere Befriedigung, wenn ich während meines Trainings in meinen Körper hineinhorche und versuche, zu erforschen, welche Bewegungen mir heute guttun, welche weniger. Wenn ich dazu bereit bin, Neues zu lernen und auch ein anfängliches Scheitern in Kauf nehme. So bastle ich gerade bspw. an dem Projekt Handstand: das geht nicht von heute auf morgen und ich muss mir eingestehen, dass ich auf diesem Gebiet ein Anfänger bin: auf Anhieb einen freistehenden Handstand hinbekommen – das ist eine Fehleinschätzung! Indem ich mit dieser Erkenntnis und der Bereitschaft, diese Bewegung neu zu lernen in das Projekt starte, kann ich mich von einer übertriebenen Erwartungshaltung befreien. Ich muss Schritte zurück machen, Tage erfahren, an denen mir weniger gelingt. Mir selbst den Raum geben, mit dieser Bewegungserfahrung zu spielen und mich langsam heranzutasten. Und dann sind da diese Momente, wenn es mich mit Freude erfüllt, wenn ich spüre, dass ich Fortschritte mache, wenn ich erfahren kann, zu was mein Körper fähig ist, wenn ich es ihm gestatte, „ein Dilettant“ zu sein…

In welchen Bereichen kannst du dir selbst gestatten, ein „Dilettant“ zu sein?

Was hättest du davon, wenn du deine Einstellung ändern würdest?

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