“OK. Life is very short. I am alive. I am lucky. So now I’m going to enjoy it.”
Das waren die Worte, die die damals 17 jährige Pascale Bercovitch zu sich selbst sagt, als ein Moment ihr Leben für immer veränderte.
Bei einem Unfall mit einem Zug verlor sie beide Beine. Die junge Frau hätte angesichts des schweren Schicksalsschlages verzweifeln und ihr Leben verdammen können. Stattdessen ließ sie diese Nahtodeserfahrung realisieren, dass das Leben endlich ist. Sie beschloss, die Zeit, die ihr bleibt, zu genießen und damit der Situation das Positive abzugewinnen: der Unfall nahm ihr zwar beide Beine, nicht aber ihr Leben. Er ließ ihr zwei gesunde Arme und eine gesunden Torso sowie einen klaren Geist. Für Pascale Gründe genug, dankbar zu sein und dies als Privileg anzusehen. Die Möglichkeiten, die ihr Körper ihr gab, wollte sie nicht ungenutzt lassen. Das Turnen, das sie als Jugendliche leistungsmäßig verfolgte, konnte sie nicht mehr ausüben. Dennoch hielt der der Rollstuhl hielt sie nicht davon ab, weiterhin eine sportliche Karriere zu verfolgen. Im Alter von 40 Jahren nahm sie 2008 das erste Mal an den Paralympischen Spielen teil. Sie schaffte es in das israelische Ruder-Nationalteam, obwohl sie zuvor nicht gerudert war. Ihr Ehrgeiz, Neues zu probieren und 6 Monate hartes Training ermöglichten ihr diesen Erfolg. 2012 in London belegte sie im Straßenrennen mit dem Handfahrrad den 6. Platz. In Rio versuchte sie sich an einer anderen Disziplin und errang im Kayak den 8.Platz. Momentan trainiert sie dafür, 2020 in Tokyo das 4. Mal bei den Paralympics dabei sein zu können.
Pascales Geschichte könnte eine Inspiration und ein Appell an uns sein, mehr von unserem eigenem Potential Gebrauch zu machen und zu nutzen, was uns gegeben ist. Allerdings fällt es uns oft schwer, uns mit Geschichten „aus der Distanz“ zu identifizieren. Das Internet ist voll von solchen Erzählungen und Menschen, die trotz widriger Umstände Außergewöhnliches geleistet haben. Der Übertragungseffekt auf unser gewöhnliches Leben erscheint marginal. Vieles von dem, was wir lesen oder sehen, ist zu weit weg, um greifbar zu sein. Dabei gibt es nicht nur Menschen wie Pascale, sondern auch solche, denen wir in unserem Alltag begegnen und die unsere Perspektive auf das Leben verändern können.
Einen solchen Menschen sah ich neulich in der Kletterhalle: dort war eine Frau, die oberhalb des einen Knies beinamputiert war und dennoch – ohne Prothese und Proteste – kletterte. Im ersten Moment wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte: wegschauen, hinschauen, Mitleid empfinden, Beifall spenden? Die Frau hingegen machte keinerlei Aufhebens um ihre Behinderung. Sie kletterte wie jemand ohne dieses Handicap. Ihr Kletterpartner ließ ihr ebenfalls keine Sonderbehandlung zukommen. Auch fasste er sie nicht mit Samthandschuhen an: er ermahnte sie, sie solle dranbleiben und es intensiver versuchen, wenn sie an einer Stelle Schwierigkeiten hatte. In dem Moment kam mir Pascale wieder in den Sinn. Ein Zitat von ihr machte plötzlich so viel mehr Sinn:
„The real disabled people are those that do not move“.
Wie viele Menschen gibt es, die sich trotz eines funktionstüchtigen Körpers nicht bewegen und Anstrengung meiden? Welche Ausreden finden sie, mit dem Auto irgendwohin zu fahren, statt zu laufen, den Lift statt der Treppe zu nehmen, Serien zu schauen, statt spazieren zu gehen…
Mir wurde bewusst, wie auch ich gerne nach Entschuldigungen suche, wenn sich mein innerer Schweinehund bei mir meldet. Wenn ich keine Lust habe, zu trainieren oder dann, wenn es beschwerlich wird. So gibt es Momente beim Klettern, in denen ich aufgeben will, weil ich nicht weiterkomme, Schwierigkeiten bei einer Route habe.
Klettern ist an sich eine recht ehrliche Sportart. Es gibt keine Schiedsrichter, keine Gegner. Niemanden, den man für die eigenen Unzulänglichkeiten verantwortlich machen könnte. Und dennoch sind es oft die Umstände, die als Sündenböcke herhalten müssen: mal ist es zu kalt, mal zu warm, mal zu laut, mal sind die Griffe zu rutschig, mal bin ich zu klein, mal fehlt mir die Erfahrung…
Jemand mit einem offensichtlichen Handicap könnte im Gegenzug überzeugendere Argumente aufbringen. Die Frau in der Kletterhalle, Pascale und viele andere, die hier ungenannt bleiben, tun es nicht. Und so bin ich es, nicht die beinamputierte Frau, die Mitleid verdient. Ich suche nach Entschuldigungen, warum ich nicht klettern kann, um dem Frust auszuweichen. Das eigene Selbstbild möchte ich vor dem Schaden schützen, den ein Scheitern mit sich bringen könnte.
Menschen wie Pascale oder die beinamputierte Kletterin zeigen mir, dass auch ein anderer Weg gangbar ist: die eigenen Unzulänglichkeiten akzeptieren und mit ihnen leben. Sich nicht von ihnen „behindern“ lassen. Nicht jeder Mensch verfügt über die gleichen körperlichen Voraussetzungen aber einem jeden steht es frei, wie er von seinen eigenen Möglichkeiten Gebrauch machen möchte.
Wenn wir Entschuldigungen nutzen, uns nicht zu bewegen oder vor bestimmten Bewegungen zurückschrecken, versetzen wir uns in einen Zustand künstlicher Behinderung. Das ist es, was Pascale meinte, als sie sagt, die wirklich behinderten Menschen seien die, die sich nicht bewegen. Bequemlichkeit oder Versagensängste sind es, die uns daran hindern, das zu tun, wozu wir eigentlich fähig sind. Diese Hindernisse sind im Gegensatz zu wirklichen Einschränkungen temporär und überwindbar.
Die Wichtigkeit von etwas wird uns erst dann bewusst, wenn wir es nicht mehr besitzen. Wenn wir bestimmte Dinge irgendwann nicht mehr tun können, dann werden wir wehmütig zurückblicken und sagen „hätte ich doch…“.
Und so können wir weiterhin unser Ego in Watte hüllen, um es vor Kratzern zu schützen. Wir können weiterhin die Bequemlichkeit unserer Komfortzone genießen. Bis irgendwann der Zeitpunkt kommt, in dem es zu spät ist, in dem wir nicht mehr in der Lage sein werden, bestimmte Dinge zu tun. Dann werden wir uns wünschen, wir wären stärker gewesen als unsere Ausreden. Warum auf diesen traurigen Tag warten, warum nicht das Geschenk annehmen, das uns gegeben wurde? Es zu KÖNNEN, FÄHIG ZU SEIN, das sollte Grund genug sein!
Und wenn wir nach mehr Gründen suchen, dann sind es vielleicht Geschichten wie die von Pascale oder der Frau aus der Kletterhalle, die uns inspirieren und motivieren können…
Live more dynamically. MOVE. MORE.
Find little excuses to do so. Play games with yourself. Squat to wait for someone instead of sitting. Climb the stairs two by two and don’t take the elevator. See that bus that you are about to miss? Sprint to it. Even if you know you are going to miss it… Stretch – all the time. Like a cat does. Carry some 8 packs of 1.5 liter water bottles back to your place. Hold your breath under water in your hot tub and time yourself. Hang from stuff that you can hang from – wherever that is. If you can – pull up or brachiate. Got a pet? Go to the park. MOVE. Got a partner? Loved one? Child? MOVE! Because you can. If you wont – tomorrow you might not be able to. MOVE. – Ido Portal
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